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4.2. Hal+ als Elektrophil

Eine weitere wichtige Klasse elektrophiler Additionen an Doppelbindungen sind Reaktionen, bei denen ein formal positiv geladenes Halogen („Hal+“) als Elektrophil auftritt. Der dabei durchlaufene Mechanismus ist etwas anders als bei Reaktionen mit H+ als Elektrophil.

Liegt eine Quelle von formal Cl+, Br+ oder I+ vor, kann das positiv polarisierte Halogen-Atom als Elektrophil in der Reaktion fungieren. Die Doppelbindung greift es also nukleophil an, wodurch ein überbrücktes Kation entsteht. Dieses Kation nennt man Chloronium-Ion im Fall von Chlor, Bromonium-Ion für Brom und Iodonium-Ion für Iod. Als zweiter Schritt findet ein Angriff des Nukleophils statt. An welchem Atom der Doppelbindung das Nuklephil angreift kann wieder mit der Regel von Markownikow vorhergesagt werden: Das zyklische Kation öffnet sich auf der Seite, wo das stabilere Carbokation entstünde. Im Prinzip handelt es sich hier um eine SN2-Reaktion, es ist daher ein Rückseitenangriff mit Inversion erforderlich. Elektrophil und Nukleophil kommen von verschiedenen Seiten an die Doppelbindung – es handelt sich also um eine anti-Addition. Die Reaktion kann daher stereoselektiv verlaufen.

Typische Quellen für Hal+ sind Cl2, Br2 und I2 (formal Hal+ + Hal-), die Succinimide NCS, NBS und NIS (Strukturen siehe unten), sowie Hypochlorite, z.B. NaOCl oder HOCl (formal H+O2-Cl+) oder Hypobromite, z.B. NaOBr oder HOBr.

In der folgenden Tabelle sind typische Reagenzien für diesen Reaktionstyp gegeben.