Documentation ~ Download / Source ~ Contact

3.4. SN1 vs. SN2

Es gibt vier Hauptkriterien die betrachtet werden können, um abzuschätzen, ob eine gegebene Reaktion nach SN1 oder SN2 Mechanismus verläuft.

Das Lösungsmittel

SN1-Reaktionen finden bevorzugt in protischen Lösungsmitteln, d.h. Lösungsmittel die Wasserstoffbrückenbindungen bilden können, statt. Das Lösungsmittel muss das Carbokation, das als Intermediat auftritt, gut solvatisieren können. Beispiele sind H2O, Alkohole und Carbonsäuren.

SN2-Reaktionen finden hingegen bevorzugt in dipolar aprotischen Lösungsmitteln (können keine Wasserstoffbrücken bilden) statt. In solchen Lösungsmitteln werden Kationen im Gegensatz zu Anionen relativ gut solvatisiert. Negativ geladene Nukleophile sind daher gut von ihren Gegenionen getrennt, aber nicht sehr gut solvatisiert und daher nukleophiler. Das begünstigt wiederum eine SN2-Reaktion (siehe Punkt „Nukleophilie“). Typisch sind DMF, DMSO, Aceton oder Nitrile.

Elektronische Effekte im Substrat

Bei der SN1-Reaktion tritt ein Carbokation, also eine Elektronenmangelverbindung, als Intermediat auf. Die SN2-Reaktion führt hingegen über einen Übergangszustand mit negativer Ladung, also eine Elektronenüberschussverbindung. Aus diesem Grund begünstigen Effekte die Kationen stabilisieren SN1-Reaktionen und Effekte die Anionen stabilisieren SN2-Reaktionen. Zum Beispiel sind SN1-Reaktionen viel wahrscheinlicher an tertiären Kohlenstoffzentren als an sekundären – an primären sind sie überhaupt unmöglich.

Sterik

Ist das Substrat sterisch gehindert, ist der Angriff des Nukleophils schwierig und somit eine SN2-Reaktion ungünstig (an tertiären Kohlenstoffzentren oder in Neopentylstellung ist sie im Normalfall nicht möglich). Bei der SN1-Reaktion findet hingegen durch dir Umhybridisierung von sp3 im Substrat zu sp2 im Carbokation-Intermediat eine Aufweitung der Bindungswinkel, und damit eine leichte Entspanung der Sterik statt. Aus diesem Grund reagieren sterisch gehinderte Substrate bevorzugt nach SN1.

Nukleophilie

Da das Nukleophil nur bei der SN2-Reaktion, nicht aber bei der SN1-Reaktion, am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt teilnimmt, fördern starke Nukleophile den SN2-Mechanismus.

Vor allem die ersten beiden Punkte, das Lösungsmittel und die elektronischen Effekte, sind entscheidend und sollten zur Abschätzung herangezogen werden. Die Sterik und die Nukleophilie sind ebenfalls wichtige Einflüsse, wobei vor allem beachtet werden muss, dass starke sterische Hinderung eine SN2-Reaktion verhindern kann.